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Sektorenkopplung in der Praxis: „Das Neue Gartenfeld“

inno2grids integriertes Infrastruktur- und Betreiberkonzept für ein intelligentes und ökologisch zukunftsweisendes Modellquartier in Berlin-Spandau

Die Weiterentwicklung unserer Städte ist im Angesicht von Klima- und Energiekrise keine optionale Frage eines utopistischen „Wie wollen wir in Zukunft leben?“ mehr, sondern dringliche Notwendigkeit. Was es dafür braucht, ist vor allem eine integrierte, sektorenübergreifende Planung, die bei Neubau- oder Konversionsquartieren Energie, Mobilität, Informations- und Kommunikationstechnik, Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Logistik und Abfall von Beginn an konsequent zusammendenkt und zugleich ein schlüssiges Betreiberkonzept entwirft. „Wer effektiven Klimaschutz und neue Mobilitätskonzepte in der Breite realisieren will, muss Quartiere als intelligente digitale Netzwerke entwickeln. Als Beratungs- und Projektgesellschaft für eine zukunftsfähige Energie- und Mobilitätsversorgung setzen wir genau dort an“, sagt Frank Christian Hinrichs, Geschäftsführer von inno2grid. „Selbstverständlich ist das eine äußerst komplexe Aufgabe, und deshalb ist es wichtig, die entsprechende infrastrukturelle Konzeptionierung möglichst frühzeitig zu leisten und damit eine planerische Basis für die klassische Projektentwicklung zu schaffen.“

Wie dieses Vorgehen in der Praxis konkret aussehen kann, zeigt beispielhaft die von inno2grid gemeinsam mit Partnern entwickelte Planung für das Quartiersprojekt „Das Neue Gartenfeld“ in Berlin-Spandau.

Komplexe Planung: Ein zukunftsfähiges Quartier für 10.000 Menschen

Die 59 Hektar große Insel Gartenfeld liegt unmittelbar in der Nähe des früheren Flughafen Tegel im Bezirk Spandau im Westen Berlins. Sie ist umgeben vom alten und neuen Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal, der hinter der Insel in die Havel mündet. Es handelt sich hier mithin um einen ansprechenden Standort für Wohnbebauung, der jedoch aufgrund der Nähe zum Flughafen bislang als Industriebrache und untergenutztes Gewerbegebiet diente. Mit der Schließung des Flughafens kann nun jedoch das Wohnungsbaupotenzial der Insel genutzt werden, ein Vorhaben, dem wegen der Innenstadtnähe und Größe des Projektgebiets besondere stadtentwicklungspolitische Bedeutung zukommt. Die Quartiersentwicklung umfasst rund 3.700 Wohnungen für bis zu 10.000 Menschen, die in einem Mix aus freifinanziertem, gefördertem sowie genossenschaftlichen Wohnbau errichtet werden sollen. Hinzu kommen ein Schulcampus, Infrastruktureinrichtungen und Gewerbeflächen.

Zwischen dem Bezirk Spandau und den Projektpartnern, der UTB Projektmanagement GmbH, der BUWOG, der Baugenossenschaft BeGeno16 eG, der Wohnungsbaugenossenschaft Am Ostseeplatz eG, der Gewobag sowie der Jula GmbH, bestand von Beginn an Einigkeit darüber, das neue Quartier emissionsarm und mit einem hohen Vernetzungsgrad der digitalen und physischen Versorgungsinfrastrukturen zu entwickeln.

Chancen und Herausforderungen des Projekts

Für die „Quartiersdenker“ von inno2grid bot das Projekt aus verschiedenen Gründen von vorneherein optimale Grundlagen für eine innovative sektorenübergreifende Planung, die Energie, Mobilität, Infrastruktur und Betreiberkonzept zusammenbringt. Da war zum einen die identitätsstiftende Insellage, die autarke, dezentrale Strukturen im Sinne des klassischen Quartiersgedankens befördert. Zum anderen wird die künftige Nachbarschaft bestimmt sein durch weitere moderne Großprojekte, wie die Urban Tech Republic TXL oder das Gewobag-Projekt Waterkant, die nach der Schließung des Flughafens den umgebenden Stadtraum als Wohnraum zurückerobern. Beste Voraussetzungen also, um nicht nur die innere Infrastruktur intelligent zu vernetzen, sondern damit auch synergetische Perspektiven über das Quartier hinaus zu erschließen.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Artenvielfalt und geschützten Biotope im Plangebiet stellte die Insellage allerdings auch eine besondere Herausforderung dar, insbesondere im Bereich der verkehrlichen Erschließung. Zwar begünstigte diese Problematik ein zukunftsweisendes Mobilitätskonzept, vergrößerte zugleich aber die Relevanz nachhaltig funktionaler Strukturen für eine moderne Binnenmobilität und deren schlüssiger Vernetzung mit dem umgebenden Stadtraum.

Integrierte sektorenübergreifende Planung durch inno2grid

Nach einer umfassenden Standortanalyse und ersten Bewertung der Erschließungsqualität mit verschiedenen Verkehrsmitteln (Modalvergleich) sowie Workshops für Versorgungsvarianten mit dem Auftraggeber, entwickelten inno2grid und Partner als Arge IQ („Intelligentes Quartier“) im Vorfeld des eigentlichen Planungsprozesses zunächst ein integriertes Infrastruktur-, Mobilitäts- und Betreiberkonzept und verknüpften dieses zudem integrativ mit den weiteren Sektoren der Informations- und Kommunikationstechnik, der Energie- und Wasserversorgung sowie der Abfalllogistik – sowohl qualitativ als auch quantitativ. Das so entstandene Gesamtkonzept, das auf der intelligenten Verknüpfung innovativer und bewährter Technologien wie Elektromobilität, Mobility Hubs, Wärmepumpen und Quartiersstromnetzen basiert, bildete dann den Rahmen für die weitere Detailplanung in den verschiedenen Sektoren.

Der Mehrwert dieser Herangehensweise liegt in der Entwicklung einer belastbaren, sektorenübergreifenden Grundkonzeption sowie von klaren Leitlinien für die weitere Fachplanung. Synergien und Schnittstellen werden dabei frühzeitig identifiziert und in der weiteren Entwicklung gezielt herausgearbeitet. Sie können so in einem sehr frühen Stadium mit Stakeholdern und Nutzern gespiegelt und damit kostenintensive Umplanungen vermieden werden.

Multifunktionales bauliches Zentrum: das Quartierswerk

Um das entwickelte Gesamtkonzept strukturell dauerhaft zu sichern, entwarfen inno2grid und BuroHappold ein eigenständiges sogenanntes „Quartierswerk Gartenfeld“, in dem die Leistungen aller Sektoren wirtschaftlich zusammengeführt werden. Dazu gehört auch die dezentrale und klimafreundliche Kälte- und Wärmeversorgung über eine innovative Kraft-Wärme-Kopplung in Kombination mit Wärmepumpen und einer Power-To-Heat-Anlage sowie die Stromversorgung der Mieter durch die auf allen Dächern der Wohngebäude installierten Photovoltaik-Anlagen. Gleiches gilt für die Regenwasserrückgewinnung und Entsorgungslogistik des Quartiers sowie die Kontrolle des integrierten Mobilitätskonzepts, welches in der Lage ist, sowohl die eingangs erwähnte Problematik der verkehrlichen Erschließung zu lösen als auch moderne Optionen für die Binnenmobilität des Quartiers zu bieten. Zu diesem Zweck wurde ein Mobility Hub am Quartiersrand als hochmoderne, zentrale Mobilitätsplattform konzipiert, welche die urbane Mobilität auf innovative Weise neu organisiert. Rückgrat der Mobilitätsversorgung ist die reaktivierte Trasse der Siemens-Bahn. Darüber hinaus umfasste die Planung eine E-Sharing-Flotte mit 250 unterschiedlichen Fahrzeugen, die den Bewohnern zur Verfügung stehen sollen: PKWs zentral am Mobility Hub, Roller, Fahrräder und Lastenräder in zusätzliche Micro-Hubs im ganzen Quartier.

Multifunktionales virtuelles Zentrum: die Quartiersplattform

Als digitales Herz des sektorübergreifenden Netzwerks im Quartier „Das Neue Gartenfeld“ wurde die Entwicklung einer Quartiersplattform vorgeschlagen. Diese wurde als führendes System für die integrierte Energieversorgung geplant, über das gleichzeitig alle ins Quartier integrierten Dienstleistungen gebucht und abgerechnet werden können. Eine Quartiers-App bietet dabei für die Nutzerinnen und Nutzer direkten Zugriff auf die verschiedenen Angebote, schafft Transparenz zu allen laufenden Verträgen sowie den jeweils individuellen Verbräuchen. Neben alltäglichen Dienstleistungen aller Art, können über die App auch die Angebote des E-Fuhrparks bzw. Parkraum gebucht werden. Darüber hinaus können die Menschen im Quartier nachbarschaftlich über eigene Chatkanäle kommunizieren. Zur Sicherstellung schneller digitaler Kommunikation sollen im gesamten Quartier zukunftsfähige Glasfaserkabel verlegt und in Teilen auch kostenloses WLAN eingerichtet werden. Für die sichere infrastrukturelle Machine-to-Machine-Kommunikation in den Sektoren Mobilität und Energie ist die Nutzung von LoRaWAN-Funktechnologie vorgesehen.

Von der Konzeptionierung zur Realisierung – Planungsstand und Ausblick

Auf Basis der von inno2grid und der ARGE IQ erarbeiteten Infrastrukturkonzeption wurde inzwischen der Bebauungsplan für „Das Neue Gartenfeld“ verabschiedet. Als künftiger Betreiber für das geplante Quartierswerk hat sich ein Joint Venture der Energiedienstleister ENGIE Deutschland GmbH und GASAG Solution Plus GmbH qualifiziert. In einzelnen Teilaspekten haben sich in der weiteren Planung Abweichungen von der ursprünglichen Konzeption ergeben. So ist aktuell anstelle des vorgeschlagenen Energieversorgungsmix aus Wärmepumpen- und Solartechnologie, auch eine Wärmeversorgung über die Nutzung von Abwärme aus einem benachbarten Rechenzentrum in der Planung. Im Mobilitätssektor folgt die Planung den entworfenen Leitgedanken, sodass inno2grid nun im Verlauf der baulichen Errichtung des Quartiers auch die Anbietergespräche mit den entsprechenden Service-Unternehmen für Ladeinfrastruktur und Sharing-Mobility führt, um das avisierte einheitliche Betreiberkonzept zu realisieren.

Frank Christian Hinrichs: „Man könnte sagen, dass ‚Das Neue Gartenfeld‘ nicht nur ein Modellquartier für unsere Vision der sektorübergreifenden Entwicklung ist, es steht auch beispielhaft für unsere Vorgehensweise: Der Hauptteil unserer Arbeit vollzieht sich lange vor Baustart, indem wir eine infrastrukturelle Konzeption schaffen, die der weiteren Planung als Basis dient. Dann ist die klassische Projektentwicklung am Zug, die wir an erfolgskritischen Schnittstellen weiter für den Bauherren begleiten. In jedem Fall steigen gerne dann wieder ein, sobald es darum geht, die konzipierten Mobilitätsangebote entsprechend unseres Betreiberkonzepts zu implementieren.“

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